Samstag, 18. Mai 2013

Évariste Galois (Libretto)


Schoors Beschäftigung mit dem französischen Mathematiker Évariste Galois (1811-1832), in dessen Schicksal er einen geeigneten Opernstoff sah, begann vermutlich Ende der siebziger Jahre. In dieser Zeit entsteht die erste Fassung des dann mehrmals überarbeiteten Librettos, eine Quelle war das Buch Wen die Götter lieben von Leopold Infeld. Die Erteilung des Kompositionsauftrags war an die Veröffentlichung des Librettos gebunden. Schoor reichte das Typoskript beim Berliner Henschel-Verlag ein, der die Veröffentlichung u. a. mit der Begründung ablehnte, die Dramaturgie orientiere sich eher am Film und sei für eine  Oper nicht geeignet. In den achtziger Jahren plante Schoor eine Hörspielfassung, die nicht realisiert wurde. Noch 2001 erscheint die Oper Evariste Galois in einer Auflistung seiner Kompositionsvorhaben (an letzter Stelle).

EG(S) = Evariste Galois / Sänger (vorgesehen war auch eine Figur Evariste Galois / Tänzer)




Freitag, 19. April 2013

Spuren in Büchern


Widmungen, Marginalien, Anstreichungen...


   Lichtenbergs Werke in einem Band
  (1979)


      Clemens Brentano: Gedichte, Erzählungen, Märchen I

                                                                     (1978)


 
         Goethe in vertraulichen Briefen seiner Zeitgenossen I

                                                                                    (1982)




          Thomas Rosenlöcher: Das Tischwunder

       Anstreichungen wohl von W. Schoor (etwa 2005)








  

Freitag, 12. April 2013

Pressestimmen zu Konzerten

Die Auswahl stammt aus einer von Schoor zusammengestellten Broschüre, durch deren Versand er Auftraggeber und Sponsoren für seine Kompositionsvorhaben zu finden hoffte (Fassung 2001).



Lyoneser Konzert

... Den wohl gewichtigsten Beitrag der Veranstaltung bildete das Lyoneser Konzert für Sopran, Streichquartett und Klavier nach Sonetten der schönen Seilerin Louize Labé von Wolfgang Schoor. Die Sopranistin Renate Loeper und das Streichquartett der Komi­schen Oper Berlin musizierten das aus zwölf Sätzen bestehende Konzert mit sehr viel Engagement und Einfühlungsvermögen für die komplizierten, aber nicht weniger sinnfälligen Strukturen und Formelemente des Komponisten. Schoor findet für die 400 Jahre alten Lieder einer Frau an ihren doch wohl recht liebeskalten Mann (Nachdichtung Paul Zech) Möglichkeiten, Klage, Trauer, aber auch angedeutete Hoffnung mit sehr heutigen Mitteln der musika­lischen Formensprache auszudrücken und kontrastiert diese wie­derum mit Zitaten aus der französischen Volksmusik des Mittelal­ters. ...
                                                                                                                                    a/dt.
NEUE ZEIT, Berlin                     


... Am meisten vermochte jedoch das "Lyoneser Konzert" ... von Wolfgang Schoor anzusprechen. Die poesievollen Liebesgedichte von 1555 erhielten durch die plastische kompositorische Gestal­tung in unorthodoxem dodekaphonem Satz eine überzeugende Deutung aus heutiger Sicht. Die ausdruckstarke, nuancierte Instrumenta­tion, für die vom Solo bis zum Klavierquintett verschiedenste Klangfarben und -zusammenstellungen genutzt wurden, unter­streicht dabei die Lebendigkeit der Verse. ... wohltuend distan­zierte, doch expressive Musik, in die sich Zitate alter franzö­sischer Canzonen bruchlos einfügten.
                                                                                                                      Gisela Nauck
MUSIK UND GESELLSCHAFT, Berlin

... Ein bemerkenswerter Aufbau liegt dem Werk zugrunde. Schoor geht aus von dem natürlichen Wechselverhältnis Spannung - Ent­spannung und gliedert das Konzert in zwölf in sich geschlossene Teile, die sich einerseits durch unterschiedliche instrumentale Besetzung und verschiedene Ausdrucks-charaktere voneinander abhe­ben, andererseits aber immer in Beziehung zum vorangegangenen oder nachfolgenden Stück stehen. So werden die sechs Sonette je­weils von instrumentalen Teilen umrahmt, die oftmals nach einem Spannungshöhepunkt die ersehnte "Ausatmung" bringen. Dazu tragen auch die unterschiedlichen Kompositionstechniken bei, die bewußt vom schlicht harmonisierten französischen Volkslied bis zum freien, zwölftonigen Satz reichen, viele moderne Techniken ein­geschlossen. Hier ist die Technik nicht Selbstzweck, sondern sie hilft ein Wort-Ton-Verhältnis herzustellen, das in höchstem Maße aufeinander abgestimmt ist.
                                                                                    Constanze Gräfe
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam


"Welch Wort, in die Kälte gerufen"

- die Uraufführung der vier Gesänge für Sopran und Orchester ge­hörte zu den Höhepunkten im dritten Sinfoniekonzert des Or­chesters des Potsdamer Hans-Otto-Theaters, das dem Gedenken an die Opfer des faschistischen Pogroms vor 50 Jahren gewidmet war. ... Die Texte von Ingeborg Bachmann und Günter Kunert sind nicht direkt zum Gedenken der Opfer des faschistischen Terrors ge­schrieben, aber sie vermögen "übergreifend Gefühle und Gedanken auszudrücken, die uns bewegen, die irgendwie nicht auszusprechen waren und die auf einmal uns treffen, als hätten wir seit langem um sie gewußt" (Wolfgang Schoor). Auch diesmal zeigte sich wie­der, daß der Komponist in hervorragender Weise mit Texten umzu­gehen vermag. In ansprechender Weise läßt er Vergangenes und Ge­genwärtiges, Meditation und Aufschrei zusammenfließen. Von tie­fer innerer Bewegung sind vor allem die lyrischen Stellen, die in ihrer behutsamen Musikalisierung besonders berühren. ...
                                                                                                                        Klaus Büstrin
NEUE ZEIT, Berlin

... Schoors erregende Gesänge nehmen auf die schmerzlich-beschä­menden Ereignisse der sogenannten "Reichskristallnacht" Bezug. Für die starke Ausstrahlung der Orchesterlieder scheint mir be­reits die Textauswahl und ihre dramaturgische Anordnung gewich­tig zu sein. Während die bilderreichen Verse von Ingeborg Bach­mann eine beklemmende Assoziationsbreite stimulieren, ortet der als Teil 3 eingefügte Kunert-Gesang "Wenn die Feuer verloschen sind" das perfektionierte Verbrechen konkret auf die grausige Vernichtungsmaschinerie. Über die Nacht mit ihrem trauernden Ge­sicht, der tragisch-fiktiven kleinen Wunschvorstellung, wenig­stens eine einzige Stunde frei zu sein, führt der Liederzyklus gedanklich bis hin zum 4. Gesang mit dem Titel "Nach dieser Sintflut". Das Symbol der Taube wird gebraucht: als Träger von Hoffnung, Zuversicht und einem doch nicht zu bezwingenden Le­benswillen. Ähnlich wie in dem Liederzyklus "Und in uns sind die Wälder, nicht sehr fern" gelingt es dem Komponisten auch in sei­nen neuen Gesängen, der textlichen Aussage entsprechende musika­lische Stimmungen aufzubauen. Ohne sinfonische Dimensionen anzu­streben, gestaltet Schoor z. B. die Einleitung zum 1. Gesang als unheilvoll-zerrissene musikalische Ausgangs-situation für den leisen Texteinstieg der rezitativischen Sopranstimme: "Die Nacht entfaltet den trauernden Teil des Gesichts". Ein weiteres charakteristisches gestalterisches Mittel scheint mir immer wieder eine das einzelne Wort emotional steigernde mu­sikalische Textausdeutung zu sein, so hebt Wolfgang Schoor z. B. im 2. Gesang die irreale Sehnsucht, wenigstens für eine Stunde frei zu sein, u. a. durch die exponierte Lage der a-capella-So­pranstimme im Forte hervor. Mit ihrer klaren und stark nuancie­rungsfähigen Stimme sang Gabriele Näther fast durchgehend mit einer geradezu vorbildlichen Textverständlichkeit. ...
                                                                                                                    Dr. Klaus Köhler
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam

... "In letzter Stunde! Flug der Taube! Auch über die Ebene Sephela, auch übers Jordanland: Schalom!", so schreibt er (W. S.) im Programmheft. "Für mich wird hier Erinnern zur bestürzen­den Gegenwart - in letzter Stunde." Wer dies nicht hörte, kann kaum verstehen, welche Betroffenheit von den Vier Gesängen auszugehen vermochte... Die Musik Schoors ... riß Abgründe und Einsichten auf, erzeugte Erschrecken, ver­fügte aber auch über Audrucksmittel der Hoffnung. Er instrumen­tierte sehr differenziert, von der kleinsten bis zur großen Be­setzung. Seine musikalische Sprache ist unkonventionell, dik­tiert von der Betroffenheit...
                                                                                                                      Gerda Reinhold
BRANDENBURGISCHE NEUESTE NACHRICHTEN

... Ihm ist es in beeindruckender Weise gelungen, diese hochpoe­tischen Texte in Musik umzusetzen... Es liegt eine bis an die Grenzen gehende innere Gespanntheit in der Komposition, die vor allem in den vielen leisen, a capella oder ganz sparsam instru­mentierten  melodischen Bögen der Sopranistin zum Ausdruck kommt. Um so betroffener machen dann die musikalischen Auf­schreie, die die angestaute Spannung zum Ausdruck bringen... Wohl niemand im Publikum konnte sich dieser Musik entziehen, der Applaus bewies es.
                                                                                                                                   C. G.
MÄRKISCHE UNION, Potsdam


... Die in sich eine dramaturgisch abgerundete Einheit bildenden Teile sind nach dem Kontrastprinzip angelegt. Dem sich dynamisch steigernden Abschluß des ersten Gesanges im vollen Satz (ff) folgt zum Beispiel der leise A-capella-Solo-Einstieg des zweiten Gesanges, wobei Schoor in diesem Teil beziehungsreich aus den Liedern "Die Lotosblume ängstigt sich" (Schumann) und "O wüßt ich doch den Weg zurück" (Brahms) zitiert. Der dritte Satz wird in seiner dumpfen Schwere zunächst ausschließlich von den Vio­loncelli, Kontrabässen und Fagotten geprägt. Demgegenüber leitet Schoor den vierten Gesang "Nach dieser Sintflut" wieder mit ei­nem A-Capella-Sopransolo ein, wobei dann ein klanglicher Strei­cheruntergrund entsteht, auf dem die knappen Staccati von Fagott und Oboe wirksam werden. Sinnfällig schließt Schoor seinen Lie­derzyklus im piano. Der Sopran artikuliert die Hoffnung, daß die Taube nach dieser Sintflut in letzter Stunde noch einmal geret­tet sein möge.
                                                                                                                            Klaus Köhler
MUSIK UND GESELLSCHAFT, Berlin


Französische Hefte 4

... mit den "Französischen Heften 4" von Wolfgang Schoor, eine Kammermusik für drei Gitarren, wobei die Gitarristen gleichzei­tig auch Sprecher sind. Ein melodramatisch angelegtes Opus also, basierend auf nach dem Montageprinzip zusammengestellten Texten von Louis Aragon, André Breton, Robert Desnos, Paul Eluard, Benjamin Peret. Äußerlich auffällig war zunächst die in den Saal als akustisches Dreieck positionierte Aufstellung der Interpreten. Raumakusti­sche Wirkungen entstanden besonders bei den polyphon-linearen Abschnitten des Werkes. Das mitunter improvisatorisch anmutende Trio erhielt an Kulminationsstellen wiederholt erhöhte Span­nungsmomente. Dann z. B., wenn die zum Nachdenken anregende und von ihrer musikalischen Umgebung abgehobene Sentenz formuliert wird: "Ist die Straße gemacht, muß sie neu gemacht werden". Verhalten läßt Wolfgang Schoor seine "Französischen Hefte 4" ausklingen.
                                                                                                                     Dr. Klaus Köhler
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam

... von Wolfgang Schoor erklang ein Stück für drei Gitarren nach französischen Gedichten in fünf Sätzen. Hier ist die geistige Haltung durch gesprochenen Text und auf Raumwirkung komponierten Klang artikuliert, poetisch und fordernd auch ("Die ihr Blei in den Köpfen habt ..."). Da entstehen melodische Linien, die aus­strahlen, sich treffen, auch überlagern, miteinander dialogisie­ren, ohne immer zu harmonischer Lösung zu gelangen, aber ein wa­ches Aufeinanderhören nicht nur der drei Interpreten verlangen.
                                                                                                                        Manfred Meier
NEUE ZEIT, Berlin


Laetare für Orgel

...Die Musik erlebte in Anwesenheit des Komponisten ihre konzer­tante Uraufführung am Silvesterabend an der Schuke-Orgel der  Berliner Sophienkirche durch KMD Christhard Kirchner, dem auch die in Bad Doberan erfolgte Einspielung für den Film zu danken ist. Die drei Sätze sind knapp und prägnant geformt. Sie zeigen eine einprägsam persönliche Handschrift, lassen aber auch enges Ver­trautsein mit der Sprache und den Klangmöglichkeiten der Orgel erkennen. Schoor geht seine eigenen Wege in der Behandlung des Instruments, vor allem in dem leidenschaftlich bewegten Agitato des Eingangssatzes. Er verleugnet dennoch nicht, daß er fest auf dem Boden einer großen, vierhundertjährigen Tradition der Orgel­kunst steht, wie der weit ausschwingende meditative Mittelteil und das abschließende Fugato bekunden.
                                                                                                             Wolfgang Hanke
NEUE ZEIT, Berlin


Atmen, durch die Kehle des Schilfrohrs
17 Lieder und 4 Interludien für Bariton und Klavier

... Vertonungen von Gedichten Peter Huchels... Ein sorgsames Abwägen von Text und Musik, der poetischen, überaus sensiblen Sprache... Erarbeitung einer bewußten Dramaturgie, in der einzelne Gedichte immer wieder Bezug aufeinander nehmen, wichtig angesichts der äußerst tiefgründigen Textstruktur und der sehr anspruchsvollen expressiven Musik. So präsentierte sich der Liederzyklus im Wechsel von heftigen und leisen Tönen, von schnelleren und langsamen Passagen, von Getragenheit und - zumindest ansatzweise - gelassener Unbeschwertheit. Reinhard Roth am Flügel und Matthias Rettner (Bariton) überzeugten durch die scheinbare Leichtigkeit, die Präzision des Vortrags.
                                                                                                                           Ulrike Nagel
BADISCHE ZEITUNG, Freiburg                                                


Fünf Liebeslieder für Bariton und Klavier

... vor allem die beiden Uraufführungen von Wolfgang Schoor eine solche Resonanz beim Publikum erreichten, daß aus beiden Werken einige Teile noch einmal zu Gehör gebracht werden mußten. Schoor verstand es, die dramaturgisch sinnvoll zusammengestellten Ge­dichte von Peter Hacks mit großer Klangsensibilität umzusetzen. In der zweiten Uraufführung Schoors - VARIABLEN - improvisierte der Komponist (Klavier) zu der fixierten Oboenstimme, die von dem ausgezeichneten Solo-Oboisten der Komischen Oper, Peter Basche, vorgetragen wurde. ...
                                                                                                                               Jutta Raab
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam

... Als versierter Pianist in eigener Sache fungierte auch Wolfgang Schoor und präsentierte mit dem unaufdringlich-intensiv gestaltenden und singenden Bariton Siegfried Meseck einige be­eindruckende Lieder nach Hacks-Texten: "Kanzone des Königs Salomon", "Über die Liebe zu Meerweibern", "Anläßlich der Wie­dergewinnung des Paradieses", "Unterm Weißdorn" und "Morpheus". Dem Hacksschen Hintersinn und Wortwitz neue klangliche Seiten abzugewinnen, ist bekanntlich ein schwieriges Unterfangen, denn Hacks läßt einem Komponisten nur wenig Raum zu musikalischer Überhöhung. Wolfgang Schoor hat aber den Texten nicht nur akti­vierende musikalische Gefühlskräfte abzugewinnen gewußt, sondern auch insgesamt mit eigenwillig-kontrastierenden und anspringen­den Klangformulierungen (nicht zuletzt im anspruchsvollen Kla­vierpart) eine zeitnah-beredte, phantasievolle Musik. Nicht zu überhören, daß diese Musik den Gedichten neues klangliches Leben gibt. ...
                                                                                                                   Eckart Schwinger
NEUE ZEIT, Berlin

Die "Fünf Liebeslieder" für Bariton und Klavier nach Gedichten von Peter Hacks wurden in der Potsdamer Veranstaltungsreihe "Kammermusik im Gespräch" uraufgeführt. Zu den bildhaften, teils philosophisch-hintergründigen Versen, die verschiedene Versionen des Themas Liebe ausleuchten, schrieb Schoor eine Musik, die Raum läßt, die Metaphern des Textes weiterzudenken (Bedeutung der Pausen!). Dabei unterstreicht und verdeutlicht die Komposi­tion den Aussagegehalt der Gedichte vor allem in der Ausformung der Gesangstimme, die zum Teil den Sinn einzelner Wörter direkt in Musik umsetzt. Der Klavierpart bestätigt den Text, setzt Ak­zente dagegen in bisweilen metrisch unabhängigem Verlauf vom Gesang.
                                                                                                                      Gisela Nauck
MUSIKTAGE, Berlin


Goethelieder für Tenor und Klavier

... Diesmal war auch - und das brachte interessante vokale Far­bigkeit in das Programm - der Potsdamer Wolfgang Schoor mit sei­nen Goetheliedern (Uraufführung) vertreten. Sie sind Joachim Vogt (Tenor) gewidmet, der selbst die Anregung dazu gegeben und Texte u.a. aus den "Zahmen Xenien" und dem "West-östlichen Divan" ausgewählt hatte. Der Sänger kostete die kleinen Meister­werke gesanglich höchst intelligent aus. "Was ich sag, ist Be­kenntnis" heißt das erste der durch kurze Interludien verbun­denen Lieder, und so lautet auch der Gesamttitel. Häufig trat Deklamatorisches, das geschickt und effektvoll falsettiert wurde, in den Mittelpunkt. Die Lieder gewannen durch die sensi­ble Wortdeutung an Gewicht, die gedankentiefen Zwischenspiele Sigurd Brauns (Klavier) rundeten den Eindruck aufs schönste ab.
                                                                                                                  Werner Schönsee
NEUE ZEIT, Berlin


Rückschauend das Heute durchschauend.
Sieben Gesänge für Tenor und Orchester

... Interessant die Uraufführung dieses Abends: Wolfgang Schoor schrieb unter dem Titel "Rückschauend das Heute durchschauend" einen Zyklus von sieben Orchesterliedern auf alte und neue Verse. Die Textauswahl wird bestimmt vom Versuch, eine Verbin­dung von Gedanken und Ideen großer Künstler der Vergangenheit zur Welt unserer Gegenwart herzustellen. Schoor hat für die mu­sikalisch zum Teil sehr schwer erschließbaren Verse komposito­risch überzeugende, im Ganzen des Zyklus auch abwechslungsrei­che, stark auf die gesangliche Deklamation gestellte Lösungen gefunden.
                                                                                                            Hansjürgen Schaefer
NEUES DEUTSCHLAND, Berlin


Und in uns sind die Wälder, nicht sehr fern
Liederzyklus für Sopran, Bariton und Klavier

Künstlerischer Höhepunkt und geistige Mitte war die Uraufführung der Hilarova-Lieder "Und in uns sind die Wälder" des Potsdamer Komponisten Wolfgang Schoor. Gedichte der damals 15jährigen Tschechin Dagmar Hilarova, die in erschütternder Weise Erleb­nisse und Erfahrungen im Konzentrationslager Theresienstadt re­flektieren, ihre Not, ihre Verzweiflung, aber auch ihre Sehn­süchte und Zuversicht, sowie einige Texte der polnischen Jüdin Rajzel Żychlinski bilden die herbe poetisch-situative Grundlage eines sechzehnteiligen Liederzyklus für Sopran, Bariton und Kla­vier von bewegender Eindringlichkeit. ... Ein Zyklus von unge­wöhnlicher Kontrastfülle und bewegender Expressivität ist das Ergebnis, ein Mitteilungsgestus, der den großen thematisch-emo­tionalen Spannungsbogen dieser Lieder überzeugend durchhält. Vom dämonischen Gruppen-Parlando des Auftakts ("Terezin") bis zur harten Ostinato-Motorik des Klaviers in "Windige Nacht", von der spröden Poesie des Liedes "Liebe" in frostiger, barbarischer Zeit bis zum gespenstischen Totentanz-Gestus des Duetts "Die Ka­pelle" entfalteten Bergith Sprenger (Sopran), Siegfried Meseck (Bariton) und Dietrich Sprenger am Flügel ein bald grellfarbi­ges, bald höchst subtiles, vielschichtiges Klangspektrum. Zum erschütternden Wendepunkt für mich wurde das Lied "Gott hat ver­borgen sein Gesicht", das seine Eindringlichkeit aus der Span­nung von dreistimmigem Sprechgesang über dem vom Klavier intonierten, vor der Schlußklausel abrupt abgebrochenen Bach­schen Choralsatz "Befiehl du deine Wege" empfängt.
                                                                                                          Wolfgang Buschmann
MÄRKISCHE UNION, Potsdam


... Lyrisch weit Ausschwingendes, vor allem im Sopranpart, steht neben Motorischem, im Klavierpart Zerklüftetem oder merkwürdig Lapidarem bis hin zur Einstimmigkeit. Manches bleibt unbeglei­tet. Auch Spielerisches im Instrumentalen ist textgemäß zu ver­nehmen. Gegen Schluß wird der Choral "Befiel du deine Wege" zi­tiert; das religiöse Bekenntnis fehlt auch im Text nicht. Das Werk endet, bei allem tragischen Hintergrund, letztlich optimi­stisch. Es sei der "Kampf noch nicht ausgekämpft", heißt es im Schlußgesang des Soprans, der den Einsatz der Ich-Heldin auf ei­ner Krankenstation, im Tätigsein für andere, schildert. Das eint und differenziert die Wege einer Anne Frank, einer Dagmar Hilarova und einer Rajzel Żychlinski.
                                                                                                             Werner Schönsee
NEUE ZEIT, Berlin

Parkfestspiele Potsdam. Unter den Wiederaufnahmen berührten er­neut Wolfgang Schoors Hilarova-Lieder nach Texten jüdischer Häftlinge aus dem Konzentrationslager Theresienstadt, eine herbe Auseinandersetzung mit den bitteren Erfahrungen junger Menschen in barbarischer Zeit. ...
                                                                                                            Wolfgang Buschmann
MUSIK UND GESELLSCHAFT, Berlin


Facetten (Französische Hefte 5)
für Flöte, Viola, Baßklarinette und ... vielleicht für eine Tänzerin in drei Räumen

... Einen starken Eindruck hinterließ gleich die erste Urauffüh­rung "Facetten", Musik zur Eröffnung einer Kunstausstellung für Flöte, Viola, Baßklarinette und vielleicht für eine Tänzerin. Aus dem "Vielleicht" wurde Realität. Zwingende, denn die expres­siven Bewegungsstudien durch die an der Dresdener Palucca-Schule lehrende Tänzerin Hanne Wandtke waren in ihrer durch den musika­lischen Duktus inspirierten Geschlossenheit und in ihrer auch auf die Bilder Enkes bezogenen kommunikativen Assoziationsbreite ein ganz entscheidendes Moment der in sich geschlossenen künstlerischen Gesamtwirkung. ...
                                                                                                                    Dr. Klaus Köhler
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam

... Die Facetten sind fünfteilig angelegt. Zwei Sätzen mit "voller" Kammer-besetzung folgen drei improvisatorisch anmutende kleine Soloszenen für Baß-klarinette, Viola und Flöte. Der in sich vierfach unterteilte und mit einem aufsteigenden, rhyth­misch prägnanten Nonensignal der Flöte beginnende erste Satz - Viola und Baßklarinette unterstützen im rhythmischen Unisono diese offensive Forte-Eröffnung - ist musikalisch von besonderer Wichtigkeit. Nicht nur, weil er von der äußeren Länge her gese­hen etwa die Hälfte der insgesamt zwölfminütigen Komposition ausmacht, sondern weil er mit häufigen Taktwechseln und freien Metren den verschiedentlich modifizierten Gegensatz von rhythmi­scher Prägnanz und kleinmotivischer spielerischer Gelöstheit als Grundmodell für die folgenden Abschnitte vorstellt und ausbrei­tet. Insbesondere in den letzten drei Sätzen gelingt es Schoor, die charakteristische Klanglichkeit des jeweiligen Soloinstru­ments empfindsam und wirkungsvoll zugleich vorzuführen. Der Par­titurhinweis "in drei Räumen" beabsichtigt, in direkter Kommuni­kation zwischen Musik, Tanz und Publikum drei Spielebenen zu nutzen, was hauptsächlich durch die tänzerische Umsetzung gelang.
                                                                                                                          Klaus Köhler
MUSIK UND GESELLSCHAFT, Berlin


Stimmen.
Adagio für Streichorchester

... gestaltet Schoor in seinem einsätzigen Werk ein musikali­siertes Dialogisieren von diffizil in sich ausbalancierten Streicherklängen und Linien. ... Bereits der Beginn strahlt da­bei bei aller äußerlichen Ruhe eine eigentümlich-reizvolle Span­nung aus, die schon nach wenigen Takten über eine Klangballung zur Generalpause führt. Nach dieser Zäsur folgen musikalische Dialoge - Stimmen eben - sowohl zwischen Solisten und der ge­samten Streichergruppe als auch innerhalb der solistisch einge­setzten Streichinstrumente. Ein abwechslungs-reiches Gegen- und Miteinander entsteht, das über einen kleinen polyphonen Ansatz zu einer für mein Empfinden etwas lang geratenen auf- und ab­schwellenden aleatorischen Geräuschebene führt und schließlich auf nur einen Ton reduziert wird. Noch einmal kommt es zu einer expressiven Stimmen-verstärkung, ehe das Werk leicht verhallend verklingt. Auch bei dieser Streichermusik kommt Schoors Gespür für musikalisch-dramaturgische Gestaltungsmomente wirkungsvoll zur Geltung.
                                                                                                                                         K.
MÄRKISCHE UNION, Potsdam


Die Verheißung des Menschen
Kammeroratorium für Sopran, Tenor, Sprechstimmen und Kammerensemble

... Ein neuerliches Beispiel in der engagierten und kenntnisför­dernden Sprache der Musik ist das unlängst eindruckvoll uraufge­führte Kammeroratorium "Die Verheißung des Menschen" nach Versen von André Bonnard (deutsche Nachdichtung: Stephan Hermlin) von Wolfgang Schoor. Die Grafiken des Schweizers Hans Erni, die auf die Leinwand projiziert wurden, unterstützen nicht nur die Aus­sage des Oratoriums, sondern aktivieren sie. Der Text Bonnards umspannt die gewaltige Geschichte des Menschen, von seinen An­fängen, seinem Elend, seinem Kampf, die Not zu überwinden, bis zu seiner Befreiung. Eine knappe halbe Stunde dauert das Kammer­oratorium ... Stets präsent ist des Komponisten Formsinn, seine Fähigkeit zu starken Emotionsbildungen, in den lyrisch-ruhigen Passagen, in den dramatisch harten Klängen. Die Kadenzen der Flöte und des Violoncellos geben dem Werk mit seinem auf Anhieb nicht gleich verständlichen Text wichtige Zäsuren und Raum für Nachdenklichkeit. Die Aufführung mit Bergith Sprenger, Martin Petzold, Berliner Instrumentalsolisten, der Sprechergruppe unter Dietrich Sprenger, die sich mit ganzem musikalischen Einsatz für die Schoor-Komposition engagierten, besaß eine nicht alltägliche Wirksamkeit.
                                                                                                                                K. Büstrin
MÄRKISCHE UNION, Potsdam

... Neben einer äußerst sparsamen und dadurch durchsichtigen, konsequent ideelich-funktional gebundenen Gestaltungsweise fällt auf, daß der Komponist zur Verinnerlichung der textlichen Aus­sage immer wieder musikalische Kontrapunkte setzt. So wird z. B. am Ende des ersten Abschnittes die "neutrale" Frage "Was ver­heißt der Mensch?" zunächst von den Sprechern rhythmisierend und das Wort Mensch ausdeutend vorgetragen und danach - deutlich ab­gesetzt - von den Solisten wiederholt. Nach einer kleinen Span­nungspause artikulieren die Sprecher, jetzt im Pianissimo, noch einmal "Was?". Damit erreicht Schoor eine eindringliche, span­nungsverdichtende Wirkung. Solche vom Komponisten selbst als "Konter-Effekte" bezeichnete Akzentuierungen  werden  auch  für  das  Verhältnis der Musik zum Bild genutzt. Dann z. B., wenn die er­klingende Vision einer friedlichen, glücklichen Welt konfron­tiert wird mit dazu stark kontrastierenden Dokumentarfotos. ... bewegte das Kammeroratorium Wolfgang Schoors das Publikum sehr stark. Ich nehme an u. a. auch deshalb, weil für das Werk eine ideeliche Zusammenhänge verdeutlichende, musikalische Wortaus­deutung immanent typisch ist und ebenso - speziell bei der Ge­staltung von Momenten der Hoffnung, Verheißung und auch der Nachdenklichkeit - eine Orientierung auf gesangliche Linien. So war die Uraufführung für den Komponisten ein beachtlicher Erfolg, an dem auch die Interpreten einen gewichtigen Anteil hatten.
                                                                                                                    Dr. Klaus Köhler
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam


Montag, 8. April 2013

Gedichte aus dem Nachlass:



 


Aus der Vorbemerkung:

1960 erschien in der Reihe „Antwortet uns!“ des Berliner Verlages Volk und Welt der Band Zwischen Last und Straße. Ein „Versprechen für die Zukunft“ seien die 15 Gedichte, hieß es in einer Rezension der „Neuen Zeit“. War damit die Hoffnung auf einen umfangreicheren Gedichtband verbunden, so hat der Autor, der Komponist Wolfgang Schoor (geb. 1926 in Köln, gest. 2007 in Wernigerode), dieses Versprechen nicht eingelöst. Doch Verse schrieb er bis ans Ende seines Lebens. Der Einladung, anlässlich seines 75. Geburtstages eine neue Auswahl für den Druck zu treffen, ist er nicht gefolgt. So muss diese posthum zusammengestellte Nachlese nun ohne sein Placet auskommen. Sie orientiert sich am Programm einer Lesung, bei der Schoor 1999 in Wernigerode neben Texten aus dem Band von 1960 auch ca. 20 ungedruckte Gedichte las, die fast alle in diesen Band aufgenommen wurden.  Die übrigen sind eine Auswahl aus dem literarischen Nachlass, zu dem neben Prosatexten etwa 200 Gedichte, Gedichtfragmente und Nachdichtungen gehören.


Mittwoch, 13. März 2013

Lesung 1999 in Wernigerode

Die musikalisch-literarische Veranstaltung mit Texten und Kompositionen von Wolfgang Schoor fand am 26. März 1999 in der Remise am Markt der Stadt Wernigerode statt. Schoor trug u. a. Lyrik aus dem Band Zwischen Last und Straße und (bis auf "Graffiti in Paris") unveröffentlichte Gedichte aus dem Zeitraum 1960 bis 1999 vor. Im Nachlass findet sich ein A4-Blatt, welches detailliert über das Programm Auskunft gibt. Die meisten Texte stammen aus den sechziger, die meisten Kompositionen aus den neunziger Jahren.


In der Annahme, dass der Autor nur von ihm zu diesem Zeitpunkt als gültig angesehene Texte ausgewählt hat, wurden fast alle ungedruckten Gedichte dieser Zusammenstellung in den Band Zwischen Last und Straße. Eine Nachlese (in Vorbereitung) aufgenommen. 



Sonntag, 24. Februar 2013

"Erste Klänge. Gedichte"

Die auf Notenpapier geschriebene Sammlung "Erste Klänge" besteht aus sieben Gedichten. Wolfgang Schoor hat sie seiner späteren Ehefrau Ke Krüll im Juli 1946 geschenkt. Die Texte seien, wie es in der Widmung heißt, "nach langer Schweigezeit" entstanden. Ihr Verfasser war zu diesem Zeitpunkt knapp 20 Jahre alt.












[Vertonungen: Überblick]


Der Liederzyklus Atmen, durch die Kehle des Schilfrohrs nach Texten von Peter Huchel wurde 1992 komponiert. Die Verse

Und Stunden wehn, vom Herbstwind weise,
Gedanken wie der Vögel Reise
Und manches Wort wird Brot und Salz 

stammen aus Huchels Gedicht "Widmung. Für Ernst Bloch", dessen erste Fassung zu Blochs 70. Geburtstag in der Zeitschrift Sinn und Form erschienen war.

Wolfgang Schoor las Sinn und Form regelmäßig. Zwei unveröffentliche Gedichte beziehen sich auf Huchel und die Zeitschrift: "An Theophrast" und "Am 27. September 1962 (für Peter Huchel)".







Samstag, 16. Februar 2013

"Von Untergang und Zuversicht"


Eine Lyrikauswahl mit dem Titel „Von Untergang und Zuversicht“ hat Wolfgang Schoor offenbar 1959 zur Veröffentlichung vorbereitet.  Obwohl eine genauere Auswertung des Nachlasses noch aussteht, ist wohl davon auszugehen, dass sich die Zusammenstellung in ihrer damaligen Form nicht mehr vollständig rekonstruieren lässt. Alle Informationen über die Auswahl stammen bislang aus zwei Gutachten: Das erste ist mit dem Namen Sommer unterzeichnet und trägt das Datum 21. 5. 1959, beim zweiten handelt es sich offenbar um eine Abschrift, der handschriftlich das Datum 17. 6. 1959 hinzugefügt ist. Diesem zweiten Gutachten ist zu entnehmen, dass die Veröffentlichung im Verlag Neues Leben geplant war. Laut Sommer hatte das Typoskript einen Umfang von 83 Seiten.

Sommer zitiert zunächst das der Sammlung vorangestellte Motto:

Schmerz und Gewißheit,
daß die Welt, der ich entstamme,
untergeht.
Glaube und Zuversicht,
daß eine neue, bessere Welt
aufersteht.

Er fährt dann fort: 

Die Gedichte behandeln kurz gesagt die Problematik eines aus dem Bürgertum stammenden Intellektuellen oder Künstlers (Schoor ist von Beruf Komponist), der eingesehen hat, daß seine Klasse nicht mehr das Recht besitzt, die Geschichte zu bestimmen, und der ehrlich bemüht ist, sich die Welt des Sozialismus zu erschließen.

Der Gutachter ist der Auffassung, dass man „aus dem vorliegenden Material eine" sowohl inhaltlich als auch von der literarischen Qualität her überzeugende "kleine Auswahl zusammenstellen“ könne. Doch dann überwiegen die Bedenken: 


Sommer schließt mit der Empfehlung, Schoors Gedichte unbedingt für die Zusammenstellung einer nicht näher bezeichneten Lyrikanthologie zu berücksichtigen. Er nennt mehrere Gedichttitel, die 1960 in Zwischen Last und Straße aufgenommen wurden.

Der Verfasser des zweiten Gutachtens (offenbar eines Außengutachtens) ist der Auffassung, die Texte seien für die jungen Leser des Verlags Neues Leben zu kompliziert. Er glaubt daher, die Auswahl sei "in der Reihe des Verlages Volk und Welt besser aufgehoben" (damit dürfte die Reihe "Antwortet uns!" gemeint sein). Für den Fall, dass Neues Leben den Band machen wolle, schlägt er vor, ihn auf ca. 40 Gedichte zu reduzieren und im Einverständnis mit dem Autor "gründlich zu überarbeiten". Zu den Gedichten, die nach Auffassung des Gutachters für eine Auswahl in Betracht kommen, zählen wiederum einige, die in Zwischen Last und Straße erscheinen. 

In beiden Gutachten sind Gedichte erwähnt bzw. zitiert, die im Nachlass bisher nicht aufgefunden werden konnten (z. B. das von Sommer zitierte Motto). 





Zu "Die Stunde in Peyresq"


Helmut Ullrich:

[...]

Eins fällt mir freilich auf, wenn von der Gestaltung der Gegenwart zu sprechen ist. Es fällt mir auf, daß zwei in Westdeutschland oder doch hauptsächlich da spielende Romane umfassender und gedanklich schärfer sind, daß sie in all ihrer Unvollkommenheit doch zum Zeitpanorama gelangt sind, daß sie eine direktere Verbindung zu den Zeitereignissen haben, daß sie konzentrierter Darstellungen bürgerlicher Psychologien und Bewußtseinswandlungen enthalten, daß sie ein Mehr an gesellschaftlicher Relevanz und ideologischer Diskussion aufzuweisen haben. Ich meine Hanna-Heide Krazes "Üb immer Treu und Redlichkeit..." und Wolfgang Schoors "Die Stunde in Peyresq", Bücher, die farbiger sind, auch spannender, und dabei gedanklich tiefer.

[...]

Oder der Roman von Schoor, der bei allen seinen stilistischen und kompositionellen Schwächen doch ebenfalls eine gesellschaftliche und historische Totalität erfaßt. Der ein erstes großes Panorama vom Denken und Leben westeuropäischer Jugend der fünfziger Jahre ist, in dem große weltanschauliche Dialoge geführt werden, in dem Probleme des christlichen Glaubens in unserer Zeit berührt werden. Dessen Thema jene Verantwortung des Menschen für seine Zeit ist, die eine der wichtigsten geistigen Grundlagen des zeitgenössischen realistischen Romans darstellt.
Und beide Romane berühren denn auch jene Thematik, die eigentlich im Mittelpunkt des Verlagsschaffens vom Union Verlag stehen sollte: die christliche Existenz in der Gegenwart, gesehen aus progressiver Sicht.
Helmut Ullrich: Bilanz und Ausblick. In: Zeugnis und Zeitgenossenschaft. Berlin: Union Verlag, 1968, S. 74-94. (Zitate S. 81-83.)


Günter Wirth:

[PS zu einem Brief an Karl Heinz Berger, in dem Wirth sich zu dessen Roman Nettesheim oder Die Schwierigkeit, ein Held zu werden, Berlin: Union Verlag , 1966, äußert.]

[...]

Übrigens fällt mir auf, daß es manche Bezüge zwischen Ihrem Nettesheim und Wolfgang Schoors Die Stunde in Peyresq gibt. Auch Schoors Roman steht „im Schatten der Domtürme“; die deutsch-französische Problematik spielt eine entscheidende Rolle, und was die „Intellektualität“ angeht, so liegt sie bei ihm noch mehr auf der Hand als bei Ihnen. Es ist interessant, daß ein anderer „junger“ katholischer Autor, einer, der aus Westdeutschland zu uns gekommen ist, dem Ihrigen verwandtes Material zur Gestaltung benutzt hat.

Günter Wirth: Historizität und Intellektualität. In: Zeugnis und Zeitgenossenschaft. Berlin: Union Verlag, 1968, S. 126-131. (Zitat S. 131).



Samstag, 9. Februar 2013

Zu "Zwischen Last und Straße"

Rezension in der Neuen Zeit, Berlin (Zentralorgan der CDU)


Montag, 28. Januar 2013

Zum literarischen Werk / Überblick



Vor sechs Jahren starb der Komponist und Schriftsteller Wolfgang Schoor (1926-2007). Die Beiträge in diesem Blog wollen an ihn und sein Werk erinnern. Eine ausführliche Zusammenstellung seiner Kompositionen enthält der Wikipedia-Eintrag.


  • Anmerkung: Unterstrichene Textteile werden im Laufe der Arbeit an diesem Blog noch genauer ausgeführt, mit Illustrationen versehen bzw. verlinkt usw. 
  • Bei Mausklick auf Fotos und Grafiken öffnet sich eine vergrößerte Ansicht.

Obwohl Schoor sich hauptsächlich als Komponist sah, hat er auch Gedichte, einen Roman, Hörspieltexte und ein Libretto geschrieben. Der Nachlass enthält außerdem viele Seiten Prosa-Entwürfe sowie einige  Nachdichtungen. 

Die erste Buchveröffentlichung stammt aus dem Jahr 1960. Zwischen Last und Straße ist eine Sammlung von 18 Gedichten. Dem programmatischen Eröffnungstext ("Was ich bin", S. 7), in dessen Schlussversen sich auch der Titel des schmalen Bandes findet, ist ein Motto von Laotse vorangestellt:

Dreißig Speichen kommen in der Nabe
zusammen; aus ihrem zusammen-Sein
entsteht der Nutzen des Rades.



 

Die im Verlag Volk und Welt herausgegebene Lyrik-Reihe Antwortet uns! sollte den "lebendigen Kontakt zwischen Dichter und Leser" herstellen. Die Aufforderung war wörtlich gemeint: Wer wollte, konnte die in den Einband integrierte Postkarte heraustrennen und mit seiner Antwort versehen an den Verlag einsenden. Allerdings wurde von dieser Möglichkeit offenbar höchst selten Gebrauch gemacht (mündliche Auskunft von M. Dreyfuß an W. Schoor). Die Hefte kosteten 1,95 DM. In Nr. 21 war Lyrik von Rudolf Bahro erschienen (In dieser Richtung), in Nr. 23  folgten Gedichte von Fritz Weichelt (Unterwegs)


Die Postkarte war Teil des Konzepts der Lyrikreihe Antwortet uns! 





Wie Dokumente im Nachlass vermuten lassen, handelt es sich bei Zwischen Last und Straße um das, was von einem größeren Vorhaben übriggeblieben ist: Ein weit umfangreicheres Typoskript hatte in der von Schoor vorgelegten Form offenbar nicht die Zustimmung des Verlages Neues Leben gefunden (vgl. "Von Untergang und Zuversicht"). 

Die Rezension in der Tageszeitung Neue Zeit war freundlich und sah in dem Heft "ein Versprechen für die Zukunft". Er blieb jedoch Schoors umfangreichste Lyrikveröffentlichung. In Vorbereitung ist eine Veröffentlichung aus dem Nachlass, die voraussichtlich den Titel Zwischen Last und Straße. Eine Nachlese tragen und ca. 45 größtenteils ungedruckte Gedichte und Gedichtfragmente enthalten wird.   



   
     Titel und Klappentext

 
1966 erschien im Union Verlag Berlin der Roman Die Stunde in Peyresq, den Schoor seiner Ehefrau Ke Schoor widmete. "Als der Roman erschien, war er für mich ein altes Buch", hat der Autor bei mehreren Gelegenheiten erwähnt. Er spielte damit auf die langwierigen Auseinandersetzungen an, in denen es um  Änderungen am Manuskript ging. In einem privaten Brief schrieb Schoor, der im Dezember 1961 abgelieferte Roman habe dem Union-Verlag "einjährige Bauchschmerzen" bereitet, und seit Anfang des Jahres [vermutlich 1963] wieder dem Autor: Er sei "z. Z. mit der zweiten Kastration des Manuskripts befaßt". "Da ich jedoch so behutsam zu Werke gehe, daß die Keimfähigkeit noch erhalten bleibt – was den Lektoren u. anderen mit dem Manuskript Befaßten nicht verborgen bleiben dürfte –, werde ich die 500 Seiten also nicht so bald gebunden in den Händen halten." Die Kritik an als politisch bedenklich eingestuften Passagen sei nicht von den Verlagslektoren (das Buch wurde u. a. von Johannes Bobrowski betreut) gekommen, sondern offenbar im Druckgenehmigungsverfahren geäußert worden (mündliche Mitteilung von W. Schoor, Ende siebziger Jahre).[Gutachten?]

Eine ursprünglich geplante Fortsetzung, für die der Verfasser einen Vorschuss erhalten hatte, kam nie zustande. So blieb es Schoors einziger Roman. Er beschrieb ihn später selbstkritisch als "überladen" und daher verfehlt. Stephan Hermlin, dessen Urteil Schoor sehr schätzte, habe ihm (sinngemäß) gesagt: "Ich hatte gehofft, ich würde einen neuen Romancier kennenlernen, aber dieser Wunsch hat sich nicht erfüllt."

Abgesehen davon, dass Ke und Wolfgang Schoor eine Zeitlang mit dem Gedanken spielten, sich in Peyresq niederzulassen, trägt die Romanfigur Klaas Lermans ausgeprägte autobiografische Züge. Im Kapitel "Djira und Zweier Menschen Passion" erscheint er u.a. als Verfasser der drei Gedichte "Alpes de Provence" (vorher in: Zwischen Last und Straße, S. 25-28) und "Graffiti in Paris" (Die Stunde in Peyresq, S.433-436).

Mitte der siebziger Jahre trug Schoor sich mit dem Gedanken, das zentrale Kapitel "Turnusflug" zu überarbeiten, zu erweitern und dem Militärverlag als eigenständige Veröffentlichung anzubieten. Im Nachlass finden sich keine Hinweise darauf, dass dieser Plan ernsthaft verfolgt wurde.