Lyoneser Konzert
... Den wohl gewichtigsten Beitrag der
Veranstaltung bildete das Lyoneser Konzert für Sopran, Streichquartett und
Klavier nach Sonetten der schönen Seilerin Louize Labé von Wolfgang Schoor. Die
Sopranistin Renate Loeper und das Streichquartett der Komischen Oper Berlin
musizierten das aus zwölf Sätzen bestehende Konzert mit sehr viel Engagement
und Einfühlungsvermögen für die komplizierten, aber nicht weniger sinnfälligen
Strukturen und Formelemente des Komponisten. Schoor findet für die 400 Jahre
alten Lieder einer Frau an ihren doch wohl recht liebeskalten Mann
(Nachdichtung Paul Zech) Möglichkeiten, Klage, Trauer, aber auch angedeutete
Hoffnung mit sehr heutigen Mitteln der musikalischen Formensprache
auszudrücken und kontrastiert diese wiederum mit Zitaten aus der französischen
Volksmusik des Mittelalters. ...
a/dt.
NEUE ZEIT, Berlin
... Am meisten vermochte jedoch das
"Lyoneser Konzert" ... von Wolfgang Schoor anzusprechen. Die
poesievollen Liebesgedichte von 1555 erhielten durch die plastische
kompositorische Gestaltung in unorthodoxem dodekaphonem Satz eine überzeugende
Deutung aus heutiger Sicht. Die ausdruckstarke, nuancierte Instrumentation,
für die vom Solo bis zum Klavierquintett verschiedenste Klangfarben und
-zusammenstellungen genutzt wurden, unterstreicht dabei die Lebendigkeit der
Verse. ... wohltuend distanzierte, doch expressive Musik, in die sich Zitate
alter französischer Canzonen bruchlos einfügten.
Gisela
Nauck
MUSIK UND GESELLSCHAFT, Berlin
... Ein bemerkenswerter Aufbau liegt dem Werk
zugrunde. Schoor geht aus von dem natürlichen Wechselverhältnis Spannung - Entspannung
und gliedert das Konzert in zwölf in sich geschlossene Teile, die sich
einerseits durch unterschiedliche instrumentale Besetzung und verschiedene
Ausdrucks-charaktere voneinander abheben, andererseits aber immer in Beziehung
zum vorangegangenen oder nachfolgenden Stück stehen. So werden die sechs
Sonette jeweils von instrumentalen Teilen umrahmt, die oftmals nach einem
Spannungshöhepunkt die ersehnte "Ausatmung" bringen. Dazu tragen auch
die unterschiedlichen Kompositionstechniken bei, die bewußt vom schlicht
harmonisierten französischen Volkslied bis zum freien, zwölftonigen Satz
reichen, viele moderne Techniken eingeschlossen. Hier ist die Technik nicht
Selbstzweck, sondern sie hilft ein Wort-Ton-Verhältnis herzustellen, das in
höchstem Maße aufeinander abgestimmt ist.
Constanze Gräfe
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam
"Welch Wort, in die Kälte gerufen"
- die Uraufführung der vier Gesänge für
Sopran und Orchester gehörte zu den Höhepunkten im dritten Sinfoniekonzert des
Orchesters des Potsdamer Hans-Otto-Theaters, das dem Gedenken an die Opfer des
faschistischen Pogroms vor 50 Jahren gewidmet war. ... Die Texte von Ingeborg
Bachmann und Günter Kunert sind nicht direkt zum Gedenken der Opfer des
faschistischen Terrors geschrieben, aber sie vermögen "übergreifend
Gefühle und Gedanken auszudrücken, die uns bewegen, die irgendwie nicht
auszusprechen waren und die auf einmal uns treffen, als hätten wir seit langem
um sie gewußt" (Wolfgang Schoor). Auch diesmal zeigte sich wieder, daß
der Komponist in hervorragender Weise mit Texten umzugehen vermag. In
ansprechender Weise läßt er Vergangenes und Gegenwärtiges, Meditation und
Aufschrei zusammenfließen. Von tiefer innerer Bewegung sind vor allem die
lyrischen Stellen, die in ihrer behutsamen Musikalisierung besonders berühren.
...
Klaus Büstrin
NEUE ZEIT, Berlin
... Schoors erregende Gesänge nehmen auf die
schmerzlich-beschämenden Ereignisse der sogenannten
"Reichskristallnacht" Bezug. Für die starke Ausstrahlung der
Orchesterlieder scheint mir bereits die Textauswahl und ihre dramaturgische
Anordnung gewichtig zu sein. Während die bilderreichen Verse von Ingeborg Bachmann
eine beklemmende Assoziationsbreite stimulieren, ortet der als Teil 3
eingefügte Kunert-Gesang "Wenn die Feuer verloschen sind" das
perfektionierte Verbrechen konkret auf die grausige Vernichtungsmaschinerie.
Über die Nacht mit ihrem trauernden Gesicht, der tragisch-fiktiven kleinen
Wunschvorstellung, wenigstens eine einzige Stunde frei zu sein, führt der
Liederzyklus gedanklich bis hin zum 4. Gesang mit dem Titel "Nach dieser
Sintflut". Das Symbol der Taube wird gebraucht: als Träger von Hoffnung,
Zuversicht und einem doch nicht zu bezwingenden Lebenswillen. Ähnlich wie in
dem Liederzyklus "Und in uns sind die Wälder, nicht sehr fern"
gelingt es dem Komponisten auch in seinen neuen Gesängen, der textlichen
Aussage entsprechende musikalische Stimmungen aufzubauen. Ohne sinfonische
Dimensionen anzustreben, gestaltet Schoor z. B. die Einleitung zum 1. Gesang
als unheilvoll-zerrissene musikalische Ausgangs-situation für den leisen
Texteinstieg der rezitativischen Sopranstimme: "Die Nacht entfaltet den
trauernden Teil des Gesichts". Ein weiteres charakteristisches
gestalterisches Mittel scheint mir immer wieder eine das einzelne Wort
emotional steigernde musikalische Textausdeutung zu sein, so hebt Wolfgang
Schoor z. B. im 2. Gesang die irreale Sehnsucht, wenigstens für eine Stunde
frei zu sein, u. a. durch die exponierte Lage der a-capella-Sopranstimme im
Forte hervor. Mit ihrer klaren und stark nuancierungsfähigen Stimme sang
Gabriele Näther fast durchgehend mit einer geradezu vorbildlichen
Textverständlichkeit. ...
Dr. Klaus Köhler
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam
... "In letzter Stunde! Flug der Taube!
Auch über die Ebene Sephela, auch übers Jordanland: Schalom!", so schreibt
er (W. S.) im Programmheft. "Für mich wird hier Erinnern zur bestürzenden
Gegenwart - in letzter Stunde." Wer dies nicht hörte, kann kaum verstehen,
welche Betroffenheit von den Vier Gesängen auszugehen vermochte... Die Musik
Schoors ... riß Abgründe und Einsichten auf, erzeugte Erschrecken, verfügte
aber auch über Audrucksmittel der Hoffnung. Er instrumentierte sehr
differenziert, von der kleinsten bis zur großen Besetzung. Seine musikalische
Sprache ist unkonventionell, diktiert von der Betroffenheit...
Gerda Reinhold
BRANDENBURGISCHE NEUESTE NACHRICHTEN
... Ihm ist es in beeindruckender Weise
gelungen, diese hochpoetischen Texte in Musik umzusetzen... Es liegt eine bis
an die Grenzen gehende innere Gespanntheit in der Komposition, die vor allem in
den vielen leisen, a capella oder ganz sparsam instrumentierten melodischen Bögen der Sopranistin zum
Ausdruck kommt. Um so betroffener machen dann die musikalischen Aufschreie,
die die angestaute Spannung zum Ausdruck bringen... Wohl niemand im Publikum
konnte sich dieser Musik entziehen, der Applaus bewies es.
C. G.
MÄRKISCHE UNION, Potsdam
... Die in sich eine dramaturgisch
abgerundete Einheit bildenden Teile sind nach dem Kontrastprinzip angelegt. Dem
sich dynamisch steigernden Abschluß des ersten Gesanges im vollen Satz (ff)
folgt zum Beispiel der leise A-capella-Solo-Einstieg des zweiten Gesanges,
wobei Schoor in diesem Teil beziehungsreich aus den Liedern "Die
Lotosblume ängstigt sich" (Schumann) und "O wüßt ich doch den Weg
zurück" (Brahms) zitiert. Der dritte Satz wird in seiner dumpfen Schwere
zunächst ausschließlich von den Violoncelli, Kontrabässen und Fagotten
geprägt. Demgegenüber leitet Schoor den vierten Gesang "Nach dieser
Sintflut" wieder mit einem A-Capella-Sopransolo ein, wobei dann ein
klanglicher Streicheruntergrund entsteht, auf dem die knappen Staccati von
Fagott und Oboe wirksam werden. Sinnfällig schließt Schoor seinen Liederzyklus
im piano. Der Sopran artikuliert die Hoffnung, daß die Taube nach dieser
Sintflut in letzter Stunde noch einmal gerettet sein möge.
Klaus
Köhler
MUSIK UND GESELLSCHAFT, Berlin
Französische Hefte 4
... mit den "Französischen Heften
4" von Wolfgang Schoor, eine Kammermusik für drei Gitarren, wobei die
Gitarristen gleichzeitig auch Sprecher sind. Ein melodramatisch angelegtes Opus
also, basierend auf nach dem Montageprinzip zusammengestellten Texten von Louis
Aragon, André Breton, Robert Desnos, Paul Eluard, Benjamin Peret. Äußerlich
auffällig war zunächst die in den Saal als akustisches Dreieck positionierte
Aufstellung der Interpreten. Raumakustische Wirkungen entstanden besonders bei
den polyphon-linearen Abschnitten des Werkes. Das mitunter improvisatorisch
anmutende Trio erhielt an Kulminationsstellen wiederholt erhöhte Spannungsmomente.
Dann z. B., wenn die zum Nachdenken anregende und von ihrer musikalischen
Umgebung abgehobene Sentenz formuliert wird: "Ist die Straße gemacht, muß
sie neu gemacht werden". Verhalten läßt Wolfgang Schoor seine
"Französischen Hefte 4" ausklingen.
Dr. Klaus Köhler
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam
... von Wolfgang Schoor erklang ein Stück für
drei Gitarren nach französischen Gedichten in fünf Sätzen. Hier ist die
geistige Haltung durch gesprochenen Text und auf Raumwirkung komponierten Klang
artikuliert, poetisch und fordernd auch ("Die ihr Blei in den Köpfen habt
..."). Da entstehen melodische Linien, die ausstrahlen, sich treffen,
auch überlagern, miteinander dialogisieren, ohne immer zu harmonischer Lösung
zu gelangen, aber ein waches Aufeinanderhören nicht nur der drei Interpreten
verlangen.
Manfred Meier
NEUE ZEIT, Berlin
Laetare für Orgel
...Die Musik erlebte in Anwesenheit des
Komponisten ihre konzertante Uraufführung am Silvesterabend an der
Schuke-Orgel der Berliner Sophienkirche
durch KMD Christhard Kirchner, dem auch die in Bad Doberan erfolgte Einspielung
für den Film zu danken ist. Die drei Sätze sind knapp und prägnant geformt. Sie
zeigen eine einprägsam persönliche Handschrift, lassen aber auch enges Vertrautsein
mit der Sprache und den Klangmöglichkeiten der Orgel erkennen. Schoor geht
seine eigenen Wege in der Behandlung des Instruments, vor allem in dem
leidenschaftlich bewegten Agitato des Eingangssatzes. Er verleugnet dennoch
nicht, daß er fest auf dem Boden einer großen, vierhundertjährigen Tradition
der Orgelkunst steht, wie der weit ausschwingende meditative Mittelteil und
das abschließende Fugato bekunden.
Wolfgang Hanke
NEUE ZEIT, Berlin
Atmen, durch die Kehle des Schilfrohrs
17 Lieder und 4 Interludien für Bariton und
Klavier
... Vertonungen von Gedichten Peter
Huchels... Ein sorgsames Abwägen von Text und Musik, der poetischen, überaus
sensiblen Sprache... Erarbeitung einer bewußten Dramaturgie, in der einzelne
Gedichte immer wieder Bezug aufeinander nehmen, wichtig angesichts der äußerst
tiefgründigen Textstruktur und der sehr anspruchsvollen expressiven Musik. So
präsentierte sich der Liederzyklus im Wechsel von heftigen und leisen Tönen,
von schnelleren und langsamen Passagen, von Getragenheit und - zumindest ansatzweise
- gelassener Unbeschwertheit. Reinhard Roth am Flügel und Matthias Rettner
(Bariton) überzeugten durch die scheinbare Leichtigkeit, die Präzision des
Vortrags.
Ulrike Nagel
BADISCHE ZEITUNG, Freiburg
Fünf Liebeslieder für Bariton und Klavier
... vor allem die beiden Uraufführungen von
Wolfgang Schoor eine solche Resonanz beim Publikum erreichten, daß aus beiden
Werken einige Teile noch einmal zu Gehör gebracht werden mußten. Schoor
verstand es, die dramaturgisch sinnvoll zusammengestellten Gedichte von Peter
Hacks mit großer Klangsensibilität umzusetzen. In der zweiten Uraufführung
Schoors - VARIABLEN - improvisierte der Komponist (Klavier) zu der fixierten
Oboenstimme, die von dem ausgezeichneten Solo-Oboisten der Komischen Oper,
Peter Basche, vorgetragen wurde. ...
Jutta Raab
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam
... Als versierter Pianist in eigener Sache
fungierte auch Wolfgang Schoor und präsentierte mit dem unaufdringlich-intensiv
gestaltenden und singenden Bariton Siegfried Meseck einige beeindruckende
Lieder nach Hacks-Texten: "Kanzone des Königs Salomon", "Über
die Liebe zu Meerweibern", "Anläßlich der Wiedergewinnung des
Paradieses", "Unterm Weißdorn" und "Morpheus". Dem
Hacksschen Hintersinn und Wortwitz neue klangliche Seiten abzugewinnen, ist
bekanntlich ein schwieriges Unterfangen, denn Hacks läßt einem Komponisten nur
wenig Raum zu musikalischer Überhöhung. Wolfgang Schoor hat aber den Texten
nicht nur aktivierende musikalische Gefühlskräfte abzugewinnen gewußt, sondern
auch insgesamt mit eigenwillig-kontrastierenden und anspringenden
Klangformulierungen (nicht zuletzt im anspruchsvollen Klavierpart) eine
zeitnah-beredte, phantasievolle Musik. Nicht zu überhören, daß diese Musik den
Gedichten neues klangliches Leben gibt. ...
Eckart Schwinger
NEUE ZEIT, Berlin
Die "Fünf Liebeslieder" für Bariton
und Klavier nach Gedichten von Peter Hacks wurden in der Potsdamer
Veranstaltungsreihe "Kammermusik im Gespräch" uraufgeführt. Zu den
bildhaften, teils philosophisch-hintergründigen Versen, die verschiedene
Versionen des Themas Liebe ausleuchten, schrieb Schoor eine Musik, die Raum
läßt, die Metaphern des Textes weiterzudenken (Bedeutung der Pausen!). Dabei
unterstreicht und verdeutlicht die Komposition den Aussagegehalt der Gedichte
vor allem in der Ausformung der Gesangstimme, die zum Teil den Sinn einzelner
Wörter direkt in Musik umsetzt. Der Klavierpart bestätigt den Text, setzt Akzente
dagegen in bisweilen metrisch unabhängigem Verlauf vom Gesang.
Gisela
Nauck
MUSIKTAGE, Berlin
Goethelieder für Tenor und
Klavier
... Diesmal war auch - und das brachte
interessante vokale Farbigkeit in das Programm - der Potsdamer Wolfgang Schoor
mit seinen Goetheliedern (Uraufführung) vertreten. Sie sind Joachim Vogt
(Tenor) gewidmet, der selbst die Anregung dazu gegeben und Texte u.a. aus den
"Zahmen Xenien" und dem "West-östlichen Divan" ausgewählt
hatte. Der Sänger kostete die kleinen Meisterwerke gesanglich höchst
intelligent aus. "Was ich sag, ist Bekenntnis" heißt das erste der
durch kurze Interludien verbundenen Lieder, und so lautet auch der
Gesamttitel. Häufig trat Deklamatorisches, das geschickt und effektvoll
falsettiert wurde, in den Mittelpunkt. Die Lieder gewannen durch die sensible Wortdeutung
an Gewicht, die gedankentiefen Zwischenspiele Sigurd Brauns (Klavier) rundeten
den Eindruck aufs schönste ab.
Werner Schönsee
NEUE ZEIT, Berlin
Rückschauend das Heute durchschauend.
Sieben Gesänge für Tenor und Orchester
... Interessant die Uraufführung dieses
Abends: Wolfgang Schoor schrieb unter dem Titel "Rückschauend das Heute
durchschauend" einen Zyklus von sieben Orchesterliedern auf alte und neue
Verse. Die Textauswahl wird bestimmt vom Versuch, eine Verbindung von Gedanken
und Ideen großer Künstler der Vergangenheit zur Welt unserer Gegenwart
herzustellen. Schoor hat für die musikalisch zum Teil sehr schwer
erschließbaren Verse kompositorisch überzeugende, im Ganzen des Zyklus auch
abwechslungsreiche, stark auf die gesangliche Deklamation gestellte Lösungen
gefunden.
Hansjürgen Schaefer
NEUES DEUTSCHLAND, Berlin
Und in uns sind die Wälder, nicht sehr fern
Liederzyklus für Sopran, Bariton und Klavier
Künstlerischer Höhepunkt und geistige Mitte
war die Uraufführung der Hilarova-Lieder "Und in uns sind die Wälder"
des Potsdamer Komponisten Wolfgang Schoor. Gedichte der damals 15jährigen
Tschechin Dagmar Hilarova, die in erschütternder Weise Erlebnisse und
Erfahrungen im Konzentrationslager Theresienstadt reflektieren, ihre Not, ihre
Verzweiflung, aber auch ihre Sehnsüchte und Zuversicht, sowie einige Texte der
polnischen Jüdin Rajzel Żychlinski bilden die herbe poetisch-situative
Grundlage eines sechzehnteiligen Liederzyklus für Sopran, Bariton und Klavier
von bewegender Eindringlichkeit. ... Ein Zyklus von ungewöhnlicher
Kontrastfülle und bewegender Expressivität ist das Ergebnis, ein
Mitteilungsgestus, der den großen thematisch-emotionalen Spannungsbogen dieser
Lieder überzeugend durchhält. Vom dämonischen Gruppen-Parlando des Auftakts
("Terezin") bis zur harten Ostinato-Motorik des Klaviers in
"Windige Nacht", von der spröden Poesie des Liedes "Liebe"
in frostiger, barbarischer Zeit bis zum gespenstischen Totentanz-Gestus des
Duetts "Die Kapelle" entfalteten Bergith Sprenger (Sopran),
Siegfried Meseck (Bariton) und Dietrich Sprenger am Flügel ein bald grellfarbiges,
bald höchst subtiles, vielschichtiges Klangspektrum. Zum erschütternden
Wendepunkt für mich wurde das Lied "Gott hat verborgen sein
Gesicht", das seine Eindringlichkeit aus der Spannung von dreistimmigem
Sprechgesang über dem vom Klavier intonierten, vor der Schlußklausel abrupt
abgebrochenen Bachschen Choralsatz "Befiehl du deine Wege" empfängt.
Wolfgang Buschmann
MÄRKISCHE UNION, Potsdam
... Lyrisch weit Ausschwingendes, vor allem
im Sopranpart, steht neben Motorischem, im Klavierpart Zerklüftetem oder
merkwürdig Lapidarem bis hin zur Einstimmigkeit. Manches bleibt unbegleitet.
Auch Spielerisches im Instrumentalen ist textgemäß zu vernehmen. Gegen Schluß
wird der Choral "Befiel du deine Wege" zitiert; das religiöse
Bekenntnis fehlt auch im Text nicht. Das Werk endet, bei allem tragischen
Hintergrund, letztlich optimistisch. Es sei der "Kampf noch nicht ausgekämpft",
heißt es im Schlußgesang des Soprans, der den Einsatz der Ich-Heldin auf einer
Krankenstation, im Tätigsein für andere, schildert. Das eint und differenziert
die Wege einer Anne Frank, einer Dagmar Hilarova und einer Rajzel Żychlinski.
Werner
Schönsee
NEUE ZEIT, Berlin
Parkfestspiele Potsdam. Unter den
Wiederaufnahmen berührten erneut Wolfgang Schoors Hilarova-Lieder nach Texten
jüdischer Häftlinge aus dem Konzentrationslager Theresienstadt, eine herbe
Auseinandersetzung mit den bitteren Erfahrungen junger Menschen in barbarischer
Zeit. ...
Wolfgang Buschmann
MUSIK UND GESELLSCHAFT, Berlin
Facetten (Französische Hefte 5)
für Flöte, Viola, Baßklarinette und ...
vielleicht für eine Tänzerin in drei Räumen
... Einen starken Eindruck hinterließ gleich
die erste Uraufführung "Facetten", Musik zur Eröffnung einer
Kunstausstellung für Flöte, Viola, Baßklarinette und vielleicht für eine
Tänzerin. Aus dem "Vielleicht" wurde Realität. Zwingende, denn die
expressiven Bewegungsstudien durch die an der Dresdener Palucca-Schule
lehrende Tänzerin Hanne Wandtke waren in ihrer durch den musikalischen Duktus
inspirierten Geschlossenheit und in ihrer auch auf die Bilder Enkes bezogenen
kommunikativen Assoziationsbreite ein ganz entscheidendes Moment der in sich
geschlossenen künstlerischen Gesamtwirkung. ...
Dr. Klaus Köhler
MÄRKISCHE VOLKSSTIMME, Potsdam
... Die Facetten sind fünfteilig angelegt.
Zwei Sätzen mit "voller" Kammer-besetzung folgen drei
improvisatorisch anmutende kleine Soloszenen für Baß-klarinette, Viola und
Flöte. Der in sich vierfach unterteilte und mit einem aufsteigenden, rhythmisch
prägnanten Nonensignal der Flöte beginnende erste Satz - Viola und
Baßklarinette unterstützen im rhythmischen Unisono diese offensive
Forte-Eröffnung - ist musikalisch von besonderer Wichtigkeit. Nicht nur, weil
er von der äußeren Länge her gesehen etwa die Hälfte der insgesamt
zwölfminütigen Komposition ausmacht, sondern weil er mit häufigen Taktwechseln
und freien Metren den verschiedentlich modifizierten Gegensatz von rhythmischer
Prägnanz und kleinmotivischer spielerischer Gelöstheit als Grundmodell für die
folgenden Abschnitte vorstellt und ausbreitet. Insbesondere in den letzten
drei Sätzen gelingt es Schoor, die charakteristische Klanglichkeit des
jeweiligen Soloinstruments empfindsam und wirkungsvoll zugleich vorzuführen.
Der Partiturhinweis "in drei Räumen" beabsichtigt, in direkter
Kommunikation zwischen Musik, Tanz und Publikum drei Spielebenen zu nutzen,
was hauptsächlich durch die tänzerische Umsetzung gelang.
Klaus
Köhler
MUSIK UND GESELLSCHAFT, Berlin
Stimmen.
Adagio für Streichorchester
... gestaltet Schoor in seinem einsätzigen
Werk ein musikalisiertes Dialogisieren von diffizil in sich ausbalancierten
Streicherklängen und Linien. ... Bereits der Beginn strahlt dabei bei aller
äußerlichen Ruhe eine eigentümlich-reizvolle Spannung aus, die schon nach
wenigen Takten über eine Klangballung zur Generalpause führt. Nach dieser Zäsur
folgen musikalische Dialoge - Stimmen eben - sowohl zwischen Solisten und der
gesamten Streichergruppe als auch innerhalb der solistisch eingesetzten
Streichinstrumente. Ein abwechslungs-reiches Gegen- und Miteinander entsteht,
das über einen kleinen polyphonen Ansatz zu einer für mein Empfinden etwas lang
geratenen auf- und abschwellenden aleatorischen Geräuschebene führt und
schließlich auf nur einen Ton reduziert wird. Noch einmal kommt es zu einer
expressiven Stimmen-verstärkung, ehe das Werk leicht verhallend verklingt. Auch
bei dieser Streichermusik kommt Schoors Gespür für musikalisch-dramaturgische
Gestaltungsmomente wirkungsvoll zur Geltung.
K.
MÄRKISCHE UNION, Potsdam
Die Verheißung des Menschen
Kammeroratorium für Sopran, Tenor,
Sprechstimmen und Kammerensemble
... Ein neuerliches Beispiel in der
engagierten und kenntnisfördernden Sprache der Musik ist das unlängst
eindruckvoll uraufgeführte Kammeroratorium "Die Verheißung des
Menschen" nach Versen von André Bonnard (deutsche Nachdichtung: Stephan
Hermlin) von Wolfgang Schoor. Die Grafiken des Schweizers Hans Erni, die auf
die Leinwand projiziert wurden, unterstützen nicht nur die Aussage des
Oratoriums, sondern aktivieren sie. Der Text Bonnards umspannt die gewaltige
Geschichte des Menschen, von seinen Anfängen, seinem Elend, seinem Kampf, die
Not zu überwinden, bis zu seiner Befreiung. Eine knappe halbe Stunde dauert das
Kammeroratorium ... Stets präsent ist des Komponisten Formsinn, seine
Fähigkeit zu starken Emotionsbildungen, in den lyrisch-ruhigen Passagen, in den
dramatisch harten Klängen. Die Kadenzen der Flöte und des Violoncellos geben
dem Werk mit seinem auf Anhieb nicht gleich verständlichen Text wichtige
Zäsuren und Raum für Nachdenklichkeit. Die Aufführung mit Bergith Sprenger,
Martin Petzold, Berliner Instrumentalsolisten, der Sprechergruppe unter
Dietrich Sprenger, die sich mit ganzem musikalischen Einsatz für die
Schoor-Komposition engagierten, besaß eine nicht alltägliche Wirksamkeit.
K. Büstrin
MÄRKISCHE UNION, Potsdam
... Neben einer äußerst sparsamen und dadurch
durchsichtigen, konsequent ideelich-funktional gebundenen Gestaltungsweise
fällt auf, daß der Komponist zur Verinnerlichung der textlichen Aussage immer
wieder musikalische Kontrapunkte setzt. So wird z. B. am Ende des ersten
Abschnittes die "neutrale" Frage "Was verheißt der
Mensch?" zunächst von den Sprechern rhythmisierend und das Wort Mensch
ausdeutend vorgetragen und danach - deutlich abgesetzt - von den Solisten
wiederholt. Nach einer kleinen Spannungspause artikulieren die Sprecher, jetzt
im Pianissimo, noch einmal "Was?". Damit erreicht Schoor eine
eindringliche, spannungsverdichtende Wirkung. Solche vom Komponisten selbst
als "Konter-Effekte" bezeichnete Akzentuierungen werden
auch für das
Verhältnis der Musik zum Bild genutzt. Dann z. B., wenn die erklingende
Vision einer friedlichen, glücklichen Welt konfrontiert wird mit dazu stark
kontrastierenden Dokumentarfotos. ... bewegte das Kammeroratorium Wolfgang
Schoors das Publikum sehr stark. Ich nehme an u. a. auch deshalb, weil für das
Werk eine ideeliche Zusammenhänge verdeutlichende, musikalische Wortausdeutung
immanent typisch ist und ebenso - speziell bei der Gestaltung von Momenten der
Hoffnung, Verheißung und auch der Nachdenklichkeit - eine Orientierung auf
gesangliche Linien. So war die Uraufführung für den Komponisten ein
beachtlicher Erfolg, an dem auch die Interpreten einen gewichtigen Anteil
hatten.
Dr. Klaus Köhler
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